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Corona-Diskurs

Prof. Dr. Katrin Gierhake, LL.M.

Die Rechtsgrundlosigkeit bleibt

– Zur geplanten Reform des Bundesinfektionsschutzgesetzes

Wenn in einem Rechtsstaat Zweifel an der Rechtmäßigkeit staatlicher Freiheitseingriffe laut werden, wenn diese Zweifel von hochrangigen Vertretern der Verfassungs- und  Verwaltungsrechtswissenschaft und Gerichten geprüft und durch substantiierten Vortrag gestützt werden, wenn konkrete Monita vorgetragen und begründet werden, wenn das Verdikt „verfassungswidrig“ nicht nur im Raum steht, sondern auch affirmiert wird,1Andrea Kießling: https://verfassungsblog.de/was-verlangen-parlamentsvorbehalt-und-bestimmtheitsgebot/,
Thorsten Kingreen: https://verfassungsblog.de/ist-das-kunst-dann-kann-das-weg/,
Hasso Suliak: https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/corona-massnahmen-28a-ifsg-rechtssicherheit-gerichte-verfassungswidrig-unbestimmt-anhoerung-bundestag/,
Anika Klafki: Stellungnahme als Einzelsachverständige zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite,
Oliver Lepsius: Grundrechtsschutz in der Corona-Pandemie
dann sollte man meinen, dass diese Bedenken bei einer anstehenden Neuregelung berücksichtigt werden.

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Wieso ist das Gespräch über Corona oft so emotional? Der psychologische Erklärungsversuch eines Physikstudenten.

In einer Diskussion zwischen Befürworter (Karl) und Gegner (Wolfgang) der Regierungsmaßnahmen wird häufig die Prämisse aufgestellt, dass Medien und Politiker entweder ihre Arbeit nicht sorgfältig genug erledigen oder uns sogar bewusst belügen. Für den Befürworter Karl ist das völlig ausgeschlossen. Schließlich schädigten die Politiker damit die Wirtschaft ihres eigenen Landes und das wäre ja niemandem dienlich. Vor allem wäre das auch unrealistisch, wenn man außerdem die wirtschaftserhaltenden Interessen kapitalistischer Lobbyverbände mit in Betracht zieht. Zusätzlich müsste es dazu eine riesige Masse an Journalisten geben, welche sich alle dafür entschieden hätten gegen die Bevölkerung zu handeln. Eine Verschwörung solchen Ausmaßes oder solch ein kollektives Versagen wären nicht geheim zu halten und damit extrem unwahrscheinlich. Für Wolfgang sind solche Mutmaßungen entweder Teil des eigenen Weltbildes oder Wolfgang glaubt besser informiert zu sein als die Journalisten, die solche Aussagen verbreiten, und als die Experten, die während ihrer Auftritte mit ihren Aussagen die Politiker und damit gewissermaßen das Land anleiten. Vielleicht glaubt Wolfgang aber auch nur, dass sich die Journalisten und Politiker nicht trauen, vergangene Regeln und Aussagen zu korrigieren, entweder aus Angst vor einem Reputationsverlust oder, da sie dafür an den Pranger gestellt werden könnten, wenn daraus Probleme resultierten. Zudem wäre es revolutionär, diese Probleme auf die eigene Kappe zu nehmen, da die Schuld gegenwärtiger Probleme zumindest auf mehreren Rücken verteilt werden kann. ⇒ hier weiterlesen …

Sind die Ausführungen des RKI unantastbar?

Deutschland ist ein Rechtsstaat 1Art. 20 Abs. 3 GG.. Demnach unterliegt der deutsche Staat verschiedenen unabdingbaren rechtlichen Prinzipien, wie beispielsweise dem Prinzip der Gewaltenteilung. Nach diesem Prinzip teilt sich die Staatsgewalt in drei Gewalten, nämlich die Judikative, die Exekutive und die Legislative.2BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1970 – 2 BvF 1/69 –, BVerfGE 30, 1-47, juris, Rn. 85. Während die Legislative zur Schaffung des gesetzlichen Rahmens zuständig ist und die Exekutive zur Ausführung dieser Gesetze berufen ist, ist es die Aufgabe der Judikative, die Handlungen der Exekutive als auch die der Legislative zu kontrollieren und ggfs. wieder aufzuheben. Die Ratio der Gewaltenteilung ist folglich die wechselseitige Begrenzung und Kontrolle staatlicher Macht.3Ebd. Rn. 85.

Zurzeit scheint es jedoch, als käme die Justiz dieser Aufgabe zumindest nur teilweise nach. Es scheint, als würde sich die Justiz nicht trauen, die Bewertungsgrundlage für die Maßnahmen zur Epidemie Bekämpfung, insbesondere die Risikoeinschätzung des Robert-Koch-Instituts, einmal einer genauen juristischen Kontrolle zu unterziehen.

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References
1 Art. 20 Abs. 3 GG.
2 BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1970 – 2 BvF 1/69 –, BVerfGE 30, 1-47, juris, Rn. 85.
3 Ebd. Rn. 85.

Heute erlaubt, morgen strafbar: Was die Pandemie für das Strafrecht bedeutet*

*Der Artikel basiert weitgehend auf zwei bereits erschienenen Beiträgen: Makepeace, GA 2020, 485 und JR 2020, 542

Im festen Griff der öffentlichen Hand
Die Corona-Pandemie hält nach wie vor die ganze Welt in Atem. Sicherlich aus plausiblen Gründen treffen Bundesregierung und Länder scheinbar tagtäglich neue Maßnahmen, die die Freiheitsrechte der Bevölkerung nicht unerheblich einschränken. Nun fragt sich so mancher Verfassungsrechtler, ob es denn so einfach sei, die Bevölkerung kollektiv in ihrer Freiheit einzuschränken und Bürger zu entmündigen. 1Jüngst etwa Kingreen, JURA 2020, 1019.

In Bayern untersagt waren unter anderem der Besuch von oder der Spaziergang mit Freunden, sofern sie nicht im selben Haushalt wohnen, sportliche Betätigungen mit anderen Mitmenschen oder der Besuch beim Friseur. Was nach orwellschen Zuständen klingen mag, war und ist mittlerweile nicht nur in Bayern Alltag, denn auch andere Bundesländer erließen entsprechende Anordnungen. Und dass die mittlerweile erfolgten Lockerungen nicht von Dauer sind, zeigen etwa der jüngst verordnete „Lockdown“ in Nordrhein-Westfalen infolge eines Corona-Ausbruchs im Tönnies-Schlachtbetrieb oder die für München geltende Maskenpflicht auf öffentlichen Plätzen. ⇒ hier weiterlesen …

References
1 Jüngst etwa Kingreen, JURA 2020, 1019.