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Corona-Diskurs

Prof. Dr. Katrin Gierhake, LL.M.

Zur Information für die Leser/innen des Mit!denken-Blogs

Der Blog ist nun von der Universität Regensburg abgekoppelt und wird auf der Seite https://mitdenken-blog.de allein verantwortlich durch mich betrieben:

Über Beiträge aller Art freue ich mich auch weiterhin.

Der Blog soll einem interdisziplinären Corona-Diskurs dienen, verschiedene wissenschaftliche und gesellschaftliche Perspektiven zusammenbringen und kritischen Stimmen ein Forum bieten.

Der Ort, an dem so etwas möglich sein sollte, wäre eigentlich die Universität.

Die Corona-Politik und der Marsch in die Unmenschlichkeit

Der Grund für den nachfolgenden Beitrag liegt in der Frage, ob die Corona-Pandemie und die sie begleitende Politik eine Ausnahme-Situation darstellen. Anlaß gab die Lektüre eines Vortrages von Karl Löwith: Vicos Grundsatz: verum et factum convertuntur. Seine theologische Prämisse und deren säkulare Konsequenzen, Heidelberg 1968.

Mir scheinen Corona und die mit ihr begründeten politischen Maßnahmen nicht Ausnahmen von, sondern Konsequenzen einer langen Entwicklung, die deshalb auch angesprochen werden soll.

I.     Die neuzeitliche Weichenstellung

Mit dem Ausgang des europäischen Mittelalters beginnt die Abkehr von einem seit der Antike herrschenden Denken bezüglich des Verhältnisses des Menschen zu sich und seiner Umwelt.

Nicht nur, aber doch besonders die aristotelische Philosophie in ihrer Verbindung mit der katholischen Theologie orientierte den Lebensvollzug in seinen verschiedenen Ausprägungen z. B. von Theologie und Politik. Für dieses Denken ist der Mensch ein Geschöpf Gottes, als sein Ebenbild, die Natur ist ebenso eine Schöpfung Gottes, die der Erschaffung des Menschen nach dem Bericht der Genesis zudem vorausgeht. Dem Menschen steht so die Natur als ein grundsätzlich Unverfügbares gegenüber, und es ist Gott als der Schöpfer beider, der die grundlegende Gutheit des Verhältnisses vermittelt.

Mit dem Beginn der Neuzeit in Europa (bzw. dies markiert den Beginn der Neuzeit) vollzieht sich ein fundamentaler Wandel dieser Auffassung. Der Mensch war zwar nach den Schöpfungserzählungen der Bibel von Gott zum Herrscher über die Natur und ihre Lebewesen eingesetzt, aber diese Herrschaft war gegründet auf dem Bewußtsein der Schöpferkraft Gottes, der die Natur für gut befunden hatte und die deshalb auch der Sorge des Menschen für die Bewahrung dieses Gutes überantwortet war. Da der Mensch als Verstandeswesen die Macht entwickelte, die Naturgegebenheiten für seine Zwecke zu verändern, war hier schon immer die Spannung zwischen der Bewahrung des bestehenden Guten und der Zerstörung zugunsten des vermeintlich Besseren angelegt. Indem mit der Entwicklung der modernen Auffassung von Naturwissenschaft die technischen Möglichkeiten, der bis dahin weitgehend unverfügbaren Gewalt der Natur Grenzen zu setzen, zunahmen, entwickelte sich ein Bewußtsein von der möglichen Allmacht des Menschen. ⇒ hier weiterlesen …

Traurige Verstümmlung. Das Menschenbild der Nudging-Inquisitoren Teil 2

Als Schiller-Fan Dostojewskij seinen „Großinquisitor“ schrieb, dachte er mit Sicherheit an dessen Vorbild aus dem „Don Carlos“. Dort findet sich auch eine brillante Analyse des Menschenbildes autoritärer Staaten. Sie war selten so aktuell.

Spanien, 1568. Philipp II. herrscht mit Hilfe der Inquisition. Nur leider gehört ausgerechnet sein eigener Mitarbeiter, der Marquis von Posa, zu den Abweichlern …

Bei Schiller beruht der Staat der Inquisitoren auf Menschenverachtung: „Wozu Menschen? Menschen sind/ für Sie nur Zahlen, weiter nichts“, meint der Großinquisitor. „Wenn Sie/ um Mitgefühle wimmern, haben Sie/ der Welt nicht Ihresgleichen zugestanden?/  Und welche Rechte, möcht‘ ich wissen, haben/ Sie  aufzuweisen über Ihresgleichen?“ Schon hier werden Elemente dessen sichtbar, was neudeutsch „Nudging“ genannt wird: Mit welchem Recht will ein Mensch seinesgleichen sagen, was gut für sie ist? Das Legitimationsdefizit kann nur durch narzisstische Selbstüberhöhung ausgeglichen werden. Entsprechend muss der „Stupsende“ auf emotionale Bindungen verzichten, denn sonst würde er sich mit anderen auf eine Stufe stellen. Bezogen auf heute: Social Distancing als Basis des Despotismus. Der Abweichler Posa zeigt dem König die Schwachstelle auf: „Sie blieben selbst noch Mensch …“ Selbst Tyrannen können sich nach Nähe sehnen. Das Menschliche zu überschreiten – gewissermaßen Transhumanismus avant la lettre – ist nämlich gar nicht so einfach. Etwas zu überschreiten bedeutet, es aufzugeben. Es gibt keine menschlichen Despoten. ⇒ hier weiterlesen …

Die Ausgangsbeschränkung in Ansehung eines rational denkenden Vernunftwesens

Klima- und Landwirtschaftspolitik, Sozial- und Migrationspolitik, Verkehrs- und Drogenpolitik – eine für sich nicht abschließend zu sein behauptende Aufzählung verschiedener Politikfelder, in denen die jeweils verantwortlichen politischen Akteure es überwiegend vermissen lassen, ihr Handeln an dem Maßstab einer auf rationaler Vernunft basierenden Politik zu messen. Unter solch einem Handeln wird hierbei verstanden, dass Entscheidungen möglichst unbeeinflusst von der in der Natur des Menschen angelegten sinnlichen Affektion getroffen werden. Das heißt, der Entscheidungsträger sollte während des Entscheidungsfindungsprozesses sicherstellen, die eigene Emotionslage möglichst auszublenden. Um der obigen Aufzählung noch ein weiteres Glied hinzuzufügen, eignet sich dieser Tage wohl nichts besser als die Politik während der weiterhin andauernden Corona Pandemie. ⇒ hier weiterlesen …