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Corona-Diskurs

Prof. Dr. Katrin Gierhake, LL.M.

Traurige Verstümmlung. Das Menschenbild der Nudging-Inquisitoren Teil 2

Als Schiller-Fan Dostojewskij seinen „Großinquisitor“ schrieb, dachte er mit Sicherheit an dessen Vorbild aus dem „Don Carlos“. Dort findet sich auch eine brillante Analyse des Menschenbildes autoritärer Staaten. Sie war selten so aktuell.

Spanien, 1568. Philipp II. herrscht mit Hilfe der Inquisition. Nur leider gehört ausgerechnet sein eigener Mitarbeiter, der Marquis von Posa, zu den Abweichlern …

Bei Schiller beruht der Staat der Inquisitoren auf Menschenverachtung: „Wozu Menschen? Menschen sind/ für Sie nur Zahlen, weiter nichts“, meint der Großinquisitor. „Wenn Sie/ um Mitgefühle wimmern, haben Sie/ der Welt nicht Ihresgleichen zugestanden?/  Und welche Rechte, möcht‘ ich wissen, haben/ Sie  aufzuweisen über Ihresgleichen?“ Schon hier werden Elemente dessen sichtbar, was neudeutsch „Nudging“ genannt wird: Mit welchem Recht will ein Mensch seinesgleichen sagen, was gut für sie ist? Das Legitimationsdefizit kann nur durch narzisstische Selbstüberhöhung ausgeglichen werden. Entsprechend muss der „Stupsende“ auf emotionale Bindungen verzichten, denn sonst würde er sich mit anderen auf eine Stufe stellen. Bezogen auf heute: Social Distancing als Basis des Despotismus. Der Abweichler Posa zeigt dem König die Schwachstelle auf: „Sie blieben selbst noch Mensch …“ Selbst Tyrannen können sich nach Nähe sehnen. Das Menschliche zu überschreiten – gewissermaßen Transhumanismus avant la lettre – ist nämlich gar nicht so einfach. Etwas zu überschreiten bedeutet, es aufzugeben. Es gibt keine menschlichen Despoten. ⇒ hier weiterlesen …

Das Nudging-Paradies der Inquisitoren

Der folgende Beitrag wird mit einem zweiten Text demnächst fortgesetzt.

Die Erzählung Der Großinquisitor aus Dostojewskijs Die Brüder Karamasow ist, unabhängig von ihrer zeitgebundenen religiösen Metaphorik, eine Warnung vor Verbotspolitik. Ein philosophischer Versuch.

Sevilla, 1555. Jesus weilt wieder auf Erden. Der Großinquisitor begegnet ihm, erkennt ihn – und lässt ihn umgehend verhaften. In der Nacht besucht er Jesus im Gefängnis. Er müsse ihn leider verbrennen, erklärt er, denn Christus störe nur sein Werk. Das Bekenntnis des Inquisitors liest sich wie ein Handbuch der Nudging-Kultur – und gleichzeitig wie eine entlarvende Darstellung der wahren Motive dahinter.

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