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Corona-Diskurs

Prof. Dr. Katrin Gierhake, LL.M.

47. Kalenderwoche

Gespräche über den weiteren Verlauf des sogenannten Teil-Lockdowns und solche über die Rechtmäßigkeit der Neufassung der infektionsschutzrechtlichen Eingriffsermächtigung durch den neuen § 28a IfSG prägten die Entwicklung der 47. Kalenderwoche. Darüber hinaus forderten auch kleinere Diskussionsthemen Aufmerksamkeit ein. So die Demonstration in Berlin am Mittwoch, den 16.11.20, die Debatte um ein etwaiges Verbot von Feuerwerkskörpern an Silvester sowie ob Weihnachten nun als „Kick-Starter“ für eine Infektionswelle angesehen werden würde oder doch das Fest von Familie und Zusammenhalt.

Schalte zwischen Kanzlerin Angela Merkel und den Ministerpräsidenten

Die über das Wochenende mehrfach abgeänderte Beschlussvorlage des Bundes für die Beratung von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Länderregierungsschefs sorgte schon vor deren Zusammenkunft für Kritik an diesem Vorgehen. Die Konferenz war zunächst dazu bestimmt eine Zwischenbilanz nach zwei Wochen Teil-Lockdown zu ziehen. Der Bund drängte jedoch darauf, zugleich schärfere Maßnahmen zu beschließen, während die Länder zunächst dafür plädierten abzuwarten.  Begründet wurde die Haltung der Ministerpräsidenten unter anderem damit, dass es zwar angebracht sei regelmäßig miteinander zu diskutieren, allerdings wäre es nicht zielführend, alle zwei Wochen neue Regelungen auf den Plan zu bringen, vielmehr wäre ein Gesamtkonzept angebracht. Sinngemäß äußerten sich in diese Richtung Niedersachsens Ministerpräsident, wie auch der nordrhein-westfälische Amtskollege Armin Laschet. Auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder sieht in einem „ständigen Auf und Ab oder Vor und Zurück“ keinen Sinn, Lockerungen seien aber dennoch keine Option, vielmehr müsse man konsequent in der Corona-Bekämpfung vorgehen.

Ergebnis des bis in den Abend andauernden Bund-Länder-Gipfels war nur mehr ein Appell. Die in der Beschlussvorlage vorgesehenen Beschränkungen unter anderem im Bereich Schule, Kontaktbeschränkung und Quarantäne bei Erkältungssymptomen, tauchten zum Teil gar nicht mehr in dem Papier auf oder waren nur noch als Mahnruf enthalten. Neue Ergebnisse soll jedoch eine erneute Diskussion von Bund und Länder in der 48. Kalenderwoche bringen.

Zum Schutz der vulnerablen Gruppen sei geplant, dass man diese künftig mit FFP2-Masken vor einer Ansteckung bewahren wollte, die Kosten dafür wolle der Bund übernehmen.

Überdies betonte Merkel, dass an einem neuen Konzept zur finanziellen Unterstützung der Kliniken gearbeitet werde. Pro freigehaltenes Bett für Corona-Behandlungen sollen Entschädigungen gezahlt werden.

Eilanträge gegen Teil-Lockdown abgewiesen

In der nun zweiwöchig andauernden Phase des Teil-Lockdowns sind mehrere Eilanträge gegen diesen im Freistaat abgewiesen worden. Laut dem Deutschen Richterbund wären in den ersten beiden Wochen bis zu 600 Anträge bei den Verwaltungsgerichten eingegangen. Nur rund 10% würde die Erfolgsquote betragen. Erst in einer Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshof vom 17.11.20 lehnten es die Richter ab, die bayerische Corona-Verordnung außer Vollzug zu setzen. Der Beschluss lautete darauf, dass es keine offensichtliche Verletzung von Freiheits- und Gleichheitsgrundrechte gebe. Zwar beinhalte die achte bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung erhebliche Verschärfungen, diese Belange hätten aber „gegenüber der fortbestehenden und in jüngster Zeit wieder erheblich gestiegenen Gefahr für Leib und Leben einer Vielzahl von Menschen“ zurückzustehen. Mildere Mittel hätten der Staatsregierung zudem nicht zur Verfügung gestanden. Außerdem sei nicht ersichtlich, dass sie der fortlaufenden Überprüfung der Maßnahmen auf ihre Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit nicht nachkäme.

Darüber hinaus wies das Verwaltungsgericht in Berlin einen Eilantrag der AfD zurück, welcher sich gegen die Allgemeinverfügung von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble richtete. Dieser hatte eine allgemeine Maskenpflicht in den Gebäuden des Bundestags angeordnet. In der Begründung hieß es, dass das Stützen auf Art. 40 I 1 GG rechtmäßig sei. Die Vorschrift gebe die Befugnis zum Erlass hausrechtlicher Maßnahmen, „ohne dass es eines konkretisierenden Gesetzes bedürfe“. Zudem sei die Anordnung auch hinreichend bestimmt und verhältnismäßig. Die Verpflichtung zum Tragen des Mundnasenschutzes bezwecke den Schutz, den von der Pandemielage ausgehende Gefahren für die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages zu begegnen. Um dies weiterhin gewährleisten zu können, müsste die von der Maskenpflicht ausgehende Grundrechtsbeeinträchtigung weichen.

Zudem fand ein Eilbeschluss des Oberverwaltungsgericht Münster Eingang in die mediale Berichterstattung. Das Gericht kippte die in der Corona-Einreiseverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen geregelte Quarantänepflicht für Auslandsrückkehrer aus Risikogebieten. Darin würde im Rahmen des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht berücksichtigt, dass das von den Reisende ausgehende Infektionsrisiko bei der Rückkehr aus Ländern mit geringeren oder vergleichbaren Inzidenzwerten als an ihrem Wohnort nach der Heimkehr kaum anders sei, als wenn sie daheim geblieben wären. Die Quarantäne sei damit in diesem Zusammenhang aktuell kein geeignetes Mittel zur Eindämmung der Corona-Pandemie in Deutschland.

Neufassung des Infektionsschutzgesetzes, „Besser aber nicht genug“1https://www.sueddeutsche.de/meinung/corona-infektionsschutzgesetz-kritik-1.5119677

Bundestag und Bundesrat entschieden am 18.11.20 über das umstrittene neue Infektionsschutzgesetz. Dabei stimmten am Mittwoch 413 Abgeordnete im Bundestag für die Reform, 235 stimmten dagegen, 8 enthielten sich. In einer anschließenden Sondersitzung des Bundesrates gab es ebenfalls die Zustimmung zum sogenannten dritten Bevölkerungsschutzgesetz, welches laut CDU/CSU zur Wetterfestigkeit für die zweite Infektionswelle in der Corona-Pandemie beitrüge.

Die Meinungen hierzu gingen schon vor dem Beschluss deutlich auseinander. Während zu Beginn der Pandemie es aufgrund der Neuartigkeit und Unkalkulierbarkeit rechtmäßig schien, sich auf die Generalklausel des § 28 IfSG zu stützen, so veränderte sich die Stimmungslage hierzu im Verlauf des Jahres. Über den Sommer wurde insbesondere die Kritik laut, dass Eingriffe in die Rechte der Bürger immer einer gesetzlichen Grundlage bedürfen und seitens der Exekutive nicht einfach verfügt werden dürften. Auf Druck der SPD hatte man sich Anfang November dann dazu entschlossen den Corona-Maßnahmen einen gesetzlichen Rahmen zu geben. Inhalt des am Mittwoch beschlossenen § 28a ist nun weniger eine auch für künftige und derzeit noch unbekannte infektiöse Krankheiten zugeschnittene Vorschrift, sondern eine katalogartige Aufführung der Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie. Befürwortendes wie Kritisches fasst insbesondere ein Beitrag von Uwe Volkmann im Verfassungsblog zusammen. Auch weitere Artikel dieser Plattform beschäftigen sich mit den Mängeln und Errungenschaften der kürzlich beschlossenen Norm. Im erstgenannten Artikel vom Verfassungsblog wird auch auf die etwaige Scheu der Gerichte hingewiesen, die Legislative auf die verfassungsrechtlichen Standards mit Nachdruck
hinzuweisen. Erst ein Ende Oktober ergangener Beschluss des Bayerischen Verfassungsgerichtshof machte deutlich, dass man „erhebliche Zweifel“ hatte, ob die zur Prüfung vorgelegten Regelungen
„noch mit den Anforderungen des Parlamentsvorbehalts bzw. des Bestimmtheitsgebots aus Art. 80 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG vereinbar“ seien. Inwiefern die Einbindung der demokratisch gewählten Bürgervertretung die Zustimmung zum Beschluss beflügelt hat oder ob das Parlament weiterhin in seiner Mitwirkung zu kurz kommt, steht ebenfalls in den genannten Beiträgen zur Debatte.

Die Reform des Infektionsschutzgesetzes nahmen tausende Menschen zudem zum Anlass in Berlin dagegen zu protestieren. Laut Angaben der Polizei setzten diese erstmal seit Jahren Wasserwerfer ein, allerdings im gemäßigten „Sprühmodus“. Begründet wurde diese Maßnahme damit, dass die Demonstranten die Regeln zur Eindämmung der Pandemie unbeachtet ließen und auch am erklärten Ende der Versammlung nicht weichen wollten.

Auch innerhalb der Gebäude des Bundestags kam es zu „Protesten“. Abgeordnete wurden am Rande der Debatte zum Infektionsschutzgesetz bedrängt, gefilmt und beleidigt. Es ist noch unklar, ob womöglich die Störer von AfD-Bundestagsabgeordneten absichtlich eingeschleust worden seien, um Unruhe zu stiften und Druck auszuüben. Zudem wird noch ermittelt, ob dies gegebenenfalls für AfD-Abgeordnete von strafrechtlicher Relevanz sein könnte. Denkbar ist unter Umständen Beihilfe oder Anstiftung zur Nötigung von Verfassungsorganen gemäß Art. 106 StGB.

References
1 https://www.sueddeutsche.de/meinung/corona-infektionsschutzgesetz-kritik-1.5119677