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Corona-Diskurs

Prof. Dr. Katrin Gierhake, LL.M.

Wo ist die Bereitschaft zur Debatte? – Ein Erfahrungsbericht

Ich bin angehende Juristin. Als solche debattiere ich gerne. Ich kann mich tief in Themen einlesen und Argumente für und gegen etwas finden und sie gegeneinander abwägen. Aber was, wenn im öffentlichen Diskurs überwiegend Argumente für eine Seite dargestellt werden und es hierzu (angeblich) keine Alternative gibt?

Ich fühle mich nicht mehr gehört, nicht mehr vertreten in der Politik, nicht mehr ernst genommen. Und dabei wünsche ich mir doch einfach nur einen offenen Diskurs.

Ich möchte mit Befürwortern der Anti-Corona-Maßnahmen eine sachlich argumentative Debatte auf Augenhöhe führen, ohne mich gleich als rechts, links, Verschwörungstheoretikerin, Covidiotin, Spinnerin, Esoterikerin, asozial, unmoralisch, etc., bezeichnen lassen zu müssen.

Stattdessen finde ich mich zurzeit in einer Gesellschaft wieder, in der andere Ansichten und andere Meinungen keine Rolle mehr spielen, keinen Raum mehr einnehmen dürfen.

Ich erlebe, wie enge Freundschaften einen Knacks bekommen. Menschen, mit denen ich vor und auch noch am Anfang der Krise gut debattieren konnte, haben jetzt keine Lust mehr auf Debatte. Selbst wenn man in früheren Diskussionen nicht einer Meinung war, änderte das bislang nichts an der gegenseitigen Wertschätzung. Bei den Corona Maßnahmen ist das anders. Ist man nicht einer Meinung, entfernt man sich voneinander.

Ich frage mich wirklich, warum das Bedürfnis an konstruktiver Auseinandersetzung fehlt. Liegt es vielleicht daran, dass kein Interesse besteht? Liegt es daran, dass man sich vom „starken Staat“ gut beschützt fühlt? Liegt es daran, dass man sich an den Einschränkungen nicht stört? Oder sich sogar damit abgefunden hat? Oder liegt es doch an der Angst vor dem Virus? Hierüber kann ich nur spekulieren, da leider (fast) keine Debatte stattfindet.

Dabei habe ich doch etwas zu sagen. Ich möchte sagen: „Was ist denn mit den Ansichten von all den Wissenschaftler*innen, Mediziner*innen, Jurist*innen und anderen schlauen Köpfen, die die Gefährlichkeit des Virus und den Umgang mit diesem anders sehen, als der Staat und dessen Berater? Möchte man denen jetzt ihre Fachkompetenz und ihre Berufserfahrung aberkennen, indem ihnen der Raum zum Sprechen genommen wird und ihre Ansichten durch „unabhängige“ Faktenchecker überprüft werden?“ Ich erwarte nicht, dass man alle Ansichten dieser Experten teilt, aber ich erwarte, dass man sich damit beschäftigt und sich damit auseinandersetzt, bevor man andere Ansichten als Verschwörungstheorie bezeichnet und die Debatte damit beendet, bevor sie überhaupt begonnen hat.

Oft höre ich, wenn überhaupt darauf eingegangen wird, das Argument: „Wir sind doch gar nicht eingeschränkt. Das bisschen Maske tragen. Das kann doch niemanden stören.“ Aber ist das wirklich so? Ich bin jetzt kurz davor, mein Studium abzuschließen. Der Plan war eigentlich, nach dem Examen ins Ausland zu gehen. Und jetzt? Für mich hat sich mein ganzer Lebensplan erstmal umgekrempelt. Ich weiß nicht wohin, ich weiß nicht was tun. Ich könnte natürlich jetzt erst einmal etwas anderes machen, abwarten, ob ich in einem oder zwei Jahren reisen kann. Aber wer weiß schon, ob ich in einem Jahr genau so weitermachen kann, wie vor der Krise. Wer weiß schon, ob nicht in einem Jahr doch der umstrittene Immunitätsausweis eingeführt wird, der darüber entscheidet, ob und wohin man reisen darf.

Natürlich sind das nur geringe Einschränkungen, im Gegensatz zu denen, die die Menschen erfahren und erfahren haben, die jetzt arbeitslos sind, die während des Lockdown Gewalt erlebt haben oder psychische Folgeschäden mit davontragen. Und trotzdem ist es doch ein bisschen mehr, als nur Maske tragen im Supermarkt.

 

5 Kommentare zu „Wo ist die Bereitschaft zur Debatte? – Ein Erfahrungsbericht

  1. Befürworter:innen der Coronamaßnahmen werfen Gegner:innen der Coronamaßnahmen vor diese seien unsozial (Risikogruppen gegenüber), egoistisch, sozialdarwinistisch, wissenschaftsfeindlich und würden sich nicht hinreichend von Verschwörungstheoretiker:innen und Rechtsextremist:innen abgrenzen.

    Gegner:innen der Coronamaßnahmen werfen Befürworter:innen der Coronamaßnahmen vor diese seien unsozial (Menschen, die unter den Maßnahmen leiden, gegenüber), hysterisch, wissenschafts- und obrigkeitshörig, unkritisch, unfähig selbst zu denken und sich eine eigene Meinung zu bilden, desinteressiert an Demokratie und am politischen Geschehen, würden sich der Debatte verweigern und eine heimlich Vorliebe für autoritäres Denken pflegen (um die Autorin des Artikels zu zitieren: „man [fühlt] sich vom „starken Staat“ gut beschützt“).

    Damit verweigern sich beide Seiten einer konstruktiven Debatte. Und damit ist auch dieser Artikel leider Teil des Problems statt Anstoß zur Lösung.

    1. Hallo Evamaria,
      dann möchte ich doch mal wissen, woraus jetzt und hier DEIN Beitrag/ „Anstoß zur Lösung“ besteht !?
      Denn philosophisch gefärbte Kommentare deiner Lesart aus der Sicht einer Mediatorin zwischen den hier veröffentlichten Kommentaren brauchen wir nicht …. sie sind ganz einfach – nicht hilfreich…
      Hilfreich hingegen ist dieser Blog MITDENKEN.UR.DE von Frau Professor Dr.Gierhake, der verschiedenen Meinungen in Sachen „Corona“ ein Forum gibt !
      Eines, das die lokale Presse in Regensburg sowie die Mainstream-Medien bayern-und bundesweit den Kritikern der (mittlerweile immer mehr umstrittenen ) staatlichen Maßnahmen fast nur verweigert.

  2. Wie ist es soweit gekommen, dass nicht (mehr?) diskutiert wird ? Ich sehe die Hauptverantwortung bei den Massenmedien, für alle stehend hier die Mittelbayerische Zeitung. Unter den hunderten Corona-Artikel der MZ habe ich 3 (!) gefunden, in denen nennenswert Kritik an der Corona-Politik geäußert wurde : Im März durfte sich Prof. Kingreen vom Lehrstuhl Öffentliches Recht und Gesundheitsrecht äußern, dann war vor kurzem ein bisschen Kritik der Landrätin zu lesen, und dann das MZ-Interview mit Prof. Gierhake. Der Rest: Kritiklose Übernahme der Regierungspositionen bis Diffamierung der Kritiker durch die MZ . Die Massenmedien sabotieren jede sachliche Diskussion . Ohne Blogs und social media könnte man meinen , wir leben in Orwellschen Zeiten gesteuerter Massenmanipulation .

    1. Was kann man denn von Zeitungen erwarten, die am Tropf der Regierung hängen? Unabhängigkeit und
      Neutralität etwa? Weit gefehlt! Kein Hund beißt die Hand, die ihn füttert.

      Die Mittelbayerische Zeitung ist zweifellos ein besonders übles Beispiel für unterwürfiges Verhalten gegenüber
      den Herrschenden. Im Gegensatz zu anderen Blättern hat sie sich sogar monatelang geweigert, Leserbriefe
      zum Thema Corona zu veröffentlichen. Es hätte ja einer dabei sein können, der das mehr oder weniger
      wahnwitzige Verhalten des Regimes kritisiert!

      Wie die übrige „Qualitätspresse“ auch, erhält die MZ die verdiente Quittung von den Lesern, die ihr in Scharen
      davonlaufen. Erst vor wenigen Tagen mußte sie die Auflage erneut senken, diesmal um 4.000 Exemplare.
      Wen wundert es?

  3. Dem Otmar Spirk kann man mit seiner Medienkritik uneingeschränkt zustimmen.
    Der Begriff „Lügenpresse“ ist verfehlt und negativ besetzt, aber „Lückenpresse“ passt wohl ganz gut. Wo man hinschaut – auch bei Regensburg-Digital – werden die Corona-Kritiker niedergeschrieben. Aber dann gebetsmühlenartig immer wieder betonen, wie wichtig die Diskussionskultur, der mündige Bürger und das Zuhören in Deutschland ist.
    Debatte wird natürlich gewünscht, aber in der eigenen Blase, beim sich gegenseitig Auf-die-Schulter-Klopfen und auf das Andere-Lager-Lästern. Was man insbesondere auch auf Facebook bemerkt.
    Die Polarisierung der Gesellschaft schreitet fort, ich befürchte es geht in Richtung (nord)amerikanischer Verhältnisse. Wo ich die den Hauptgrund für die Entwicklung sehe? In den überzogenen Anti-Coronamassnahmen und der medialen unausgewogenen, regierungsfreundlichen Berichterstattung der Leitmedien.

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