mit!denken

Corona-Diskurs

Prof. Dr. Katrin Gierhake, LL.M.

25. Kalenderwoche

Eine ereignisreiche Woche (15.06.2020 – 21.06.2020) ist vorüber. Es vergingen kaum Tage ohne Meldungen zur Corona-Pandemie. Zum Ende der Woche meldete das RKI einen im Vergleich zu den Vorwochen signifikanten Anstieg der Infektionszahlen in Deutschland einerseits und der sogenannten Reproduktionszahl andererseits.

Corona-Ausbruch in Fleischfabrik Tönnies

Maßgeblich hing dies zusammen mit einem Vorfall in der Fleischfabrik Tönnies im Kreis Gütersloh in Nordrhein-Westfalen. Dort wurden unter den Arbeitern mehr als 1500 mit Corona infizierte Personen festgestellt (Stand: 23. Juni 2020). Die Landesregierung verzichtete zwar zunächst auf einen „Lockdown“ der gesamten Region, es wurde jedoch eine Quarantänezone in Verl für die Mitarbeiter der Fleischfabrik eingerichtet. Wie die Tönnies Holding auf Twitter mitteilte, übernimmt sie die Kosten für einen freiwilligen, flächendeckenden Corona-Test von Bewohnern in der Region.

Von dem Verzicht wich die Landesregierung aber angesichts der immer weiter steigenden Zahlen der Neuinfektionen ab. Am Anfang der 26. Kalenderwoche stehen weitere Schutzmaßnahmen bis hin zu einem regionalen „Lockdown“ zur Diskussion. Mittlerweile infizieren sich 263 pro 100.000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen mit dem Corona-Virus. Diese Zahl übersteigt bei Weitem die von Bund und Ländern festgelegte Obergrenze von wöchentlich 50 Neuinfektionen. Die Festlegung dieser Obergrenze sollte sicherstellen, dass regional frühzeitig auf Ausbreitungen des Virus reagiert werden kann. Bislang verließ sich die Landesregierung darauf, dass lediglich die osteuropäischen Gastarbeiter des Schlachtbetriebs von den Infektionen betroffen seien. Diese hätten ohnehin wenig Kontakt zu der Bevölkerung, da sie an weiten Teilen des gesellschaftlichen Lebens nicht teilnehmen würden. Den Mitarbeitern sicherte Ministerpräsident Armin Laschet zwar – unabhängig von ihrer Herkunft – medizinische Hilfe in Deutschland zu. Es wurden auch zahlreiche Maßnahmen ergriffen, so wurden Schulen und Kitas im Kreis Gütersloh bereits geschlossen und 7000 Menschen unter Quarantäne gestellt. Der Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach warnte trotzdem vor einem zu leichtfertigen Umgang mit dem Ausbruch. Man könne sich nicht darauf verlassen, dass lediglich die Mitarbeiter infiziert seien. Die Ausbreitung des Virus könne sehr schnell eine unbeherrschbare Eigendynamik entwickeln.

Der Vorfall erlangte überdies rechtliche Relevanz: Die zuständige Staatsanwaltschaft ermittelt unter anderem wegen Körperverletzung und Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz.

Start der „Corona-Warn-App“

Dieser Zwischenfall überschattet in der Rückschau teilweise auch tendenziell positive Nachrichten dieser Woche. Am 16.06.2020 stand die bereits seit geraumer Zeit diskutierte „Corona-Warn-App“ zum Download zur Verfügung. Die Bundesregierung verspricht sich davon, Infektionsketten schneller unterbrechen zu können. Kritiker erkannten nach der Einführung schnell Verbesserungspotenzial. So mokierten sich Kritiker insbesondere darüber, dass die App auf älteren Smartphones nicht installierbar sei. Damit steht sie nur denjenigen zur Verfügung, die ein neueres Smartphone besitzen, was eine digitale Zweiklassengesellschaft herbeiführen könnte. Zwar soll die Nutzung der App nach Angaben der Bundesregierung freiwillig bleiben, es wird jedoch befürchtet, dass sie mancherorts von Privaten vorausgesetzt wird. Diese Entwicklung könnte, sofern die Befürchtung begründet ist, nicht nur den Grundsatz der Freiwilligkeit untergraben, vielmehr könnte sie zu einem Ausschluss von der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben führen.

Überdies stellen sich Fragen des Datenschutzes. Der Bundesdatenschutzbeauftragte erkannte Verbesserungsbedarf, wenngleich die App bedenkenlos installiert werden könne. Die Forderung nach einer gesetzlichen Grundlage für die „Corona-Warn-App“ steht im Raum. Jedenfalls könnte der Gesetzgeber zumindest ergänzende Regelungen erlassen, beispielsweise ein ausdrückliches Datenweitergabeverbot oder auch spezielle Straftatbestände für den Missbrauch sensibler Daten. Trotz jeglicher Bedenken wurde die App bereits fast zehn Millionen mal installiert.

Weitere Lockerungen

Zu schließen ist mit positiven Meldungen. Bayern beendete den ausgerufenen Katastrophenfall und führt zur kommenden Woche zahlreiche weitere Lockerungen ein. Zu einer zusätzlichen Lockerung verhalf vergangene Woche der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, indem er die angeordnete Sperrstunde um 22:00 Uhr für Gaststätten und Biergärten vorläufig außer Vollzug setzte, da sie unverhältnismäßig sei. In Europa öffnen die Länder unterdessen ihre Grenzen, insbesondere auch das stark von der Pandemie betroffene Spanien.