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Corona-Diskurs

Prof. Dr. Katrin Gierhake, LL.M.

31. und 32. Kalenderwoche

In den vergangenen Wochen setzte sich die Debatte um den Anstieg von Infektionszahlen fort. Vielfach diskutiert wurde, wie dieser Entwicklung entgegengewirkt werden könnte und, wie sich diese Entwicklung auf verschiedenste Lebensbereiche auswirken würde.

31. Kalenderwoche (27.07.2020 – 02.08.2020)

Die 31. Kalenderwoche steht im Lichte der bereits angekündigten Corona-Tests für Reiserückkehrer, nachdem diese als Ursache für die ansteigenden Infektionszahlen benannt worden sind.

Corona-Tests für Reiserückkehrer

Reiserückkehrer können sich nun freiwillig auf eine COVID-19-Erkrankung testen lassen. Die Kosten für den Test werden von den gesetzlichen Krankenkassen getragen, wobei der Bund zugesichert hat, die Ausgaben durch milliardenschwere Zuschüsse an die Kassen zu übernehmen. Das Angebot der freiwilligen Tests wird vielfach genutzt. Allein in Bayern haben sich bereits 18.000 Urlauber testen lassen, am Frankfurter Flughafen sogar mehr als 40.000 Menschen (Stand: 02.08.2020).

Überdies soll für Reiserückkehrer aus Risikogebieten eine Testpflicht greifen. Nach der von Bundesgesundheitsminister Spahn angekündigten Anordnung soll jeder, der aus einem Risikogebiet einreist, sich in einem kurzen Zeitraum vor oder nach Einreise testen lassen müssen. Bis ein negatives Ergebnis vorliegt, sollen diese Rückkehrer in häusliche Quarantäne müssen.

Großdemonstration gegen Corona-Maßnahmen in Berlin

Mindestens 15.000 Menschen versammelten sich am Samstagnachmittag in Berlin, um gegen die Corona-Maßnahmen zu demonstrieren. Unterstützer der Demonstration behaupten, es wären mehr als eine Million Teilnehmer gewesen. Für diese Annahme gibt es jedoch keine Belege. Vielmehr wurden Bilder von anderen Demonstrationen, teilweise aus anderen Städten, geteilt, wie aus Datenanalysen und Augenzeugenberichten hervorgeht. Die Polizei löste die Versammlung auf, da auf Abstandsregeln nicht geachtet wurde und nur wenige Teilnehmer einen Mund-Nasen-Schutz trugen. Die Kundgebung war von der Stuttgarter Initiative „Querdenken 711“ unter dem Motto „Das Ende der Pandemie – Tag der Freiheit“ angemeldet worden, die bereits zuvor mehrere solcher Proteste in Stuttgart durchgeführt hatte. Kritiker dieser Proteste befürchten eine Vereinnahmung der Demonstrationen durch Rechtspopulisten und Verschwörungstheoretiker. Der Bayerische Rundfunk zeigt den Zusammenhang des Mottos zu dem gleichnamigen Propagandafilm („Tag der Freiheit“) der Nazi-Ikone Leni Riefenstahl über den Parteitag der NSDAP im Jahre 1935 auf.

Altmaier und Söder fördern höhere Strafen bei Corona-Verstößen

Der Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und der bayerische Ministerpräsident Markus Söder fordern höhere Strafen bei Verstößen gegen die Maßnahmen im Zuge der Corona-Pandemie. Wer vorsätzlich gegen die Anordnungen verstoße, solle zukünftig mit gravierenderen Konsequenzen rechnen müssen, so heißt es.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof setzt Beherbergungsverbot außer Kraft

Mit Beschluss vom 28.07.2020 gab der Bayerische Verwaltungsgerichtshof einem Eilantrag gegen das bayerische Beherbergungsverbot für Gäste aus Risikogebieten in anderen Bundesländern statt. Nachdem das Land Bayern das Beherbergungsverbot nach den massenhaften Infektionen beim Fleischunternehmen Tönnies in Nordrhein-Westfalen beschlossen und in die Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung aufgenommen hatte, setzte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof dieses nun vorläufig außer Kraft. Das Verbot sei nicht verhältnismäßig, ferner reiche ein Verweis in der Verordnung auf die aktuellen Veröffentlichungen des Robert-Koch-Instituts nicht aus, um dem Publizitätsgebot zu genügen.

Polizei zieht Gästelisten zur Strafverfolgung heran

Es wird zunehmend befürchtet, dass es bei der derzeitigen Regelung über die Hinterlegung von Kontaktdaten in Gaststätten zu Daten-Missbrauch kommen könnte. Die verpflichtende Hinterlegung von Kontaktdaten soll der Nachverfolgung von Infektionsketten dienen. Die Polizeibehörden in Hamburg und in München steht jedoch derzeit in der Kritik, weil sie die Daten auch zur Strafverfolgung genutzt hatten. Über einen Datenzugriff entscheide die Polizei nicht allein, rechtfertigte sich der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei Jörg Radek. Die Strafprozessordnung erlaube, Gegenstände auf richterliche Anordnung zu beschlagnahmen – das könnten auch die pandemiebedingt geführten Gästelisten sein. Jedenfalls erfolge die Beschlagnahmung auf richterliche Anordnung, so Radek weiter. Eine Änderung der Zweckbestimmung sei nach Ansicht der Bayerischen Polizei rechtlich zulässig. Dies stieß insbesondere beim deutschen Hotel- und Gaststättenverband Dehoga auf Kritik. So müsse sich der Kunde auf den Datenschutz verlassen können; alles andere untergrabe die Glaubwürdigkeit der Politik und schaffe in Restaurants enorme Verunsicherung.

Bayerischer Flüchtlingsrat kritisiert Teststrategie Bayerns

Der Bayerische Flüchtlingsrat kritisierte die Teststrategie Bayerns im Hinblick auf Geflüchtete. Nunmehr sollen diese nicht nur bei Verlegung in andere Einrichtungen, sondern auch bei jedem Arztbesuch getestet werden – unabhängig davon, welche Beschwerden sie haben. Zwar sei es grundsätzlich gut, wenn vermehrt getestet werde. Es sei jedoch eine Frechheit, dass jeder zu einem Test verpflichtet wird, der mit Knieschmerzen zum Arzt geht, so der Flüchtlingsrat. Vielmehr sei notwendig, die Umstände in Asylunterkünften zu verbessern, damit Hygienevorschriften eingehalten werden können.

32. Kalenderwoche (03.08.2020 – 09.08.2020)

Während die Zahl der Neuinfektionen am Anfang der vergangenen Woche noch unter 500 lag, infizierten sich am vergangenen Wochenende über 1000 Personen pro Tag mit dem neuartigen Virus SARS-CoV-2. Das tagesaktuelle Geschehen in der 32. Kalenderwoche wird von der Debatte um Schulöffnungen im kommenden Schuljahr dominiert.

Schulöffnungen

Während die Zahl an Neuinfektionen in Deutschland weiter ansteigt, kehren Schulen weitestgehend zum gewöhnlichen Schulbetrieb zurück. Die Lehrergewerkschaft GEW sieht in der Rückkehr zum Regelbetrieb an Schulen ein großes Risiko. Wie genau diese Rückkehr stattfinden soll, unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland. Während Bundesbildungsministerin Anja Karliczek sich für eine Maskenpflicht ausspricht, steht die Bildungsministerin des Landes Schleswig-Holstein Karin Prien dem skeptisch gegenüber. Berlin, Bayern, Baden-Württemberg und Hamburg haben bereits angekündigt, eine Maskenpflicht in Schulgebäuden einzuführen, die jedoch nicht während des Unterrichts gelten soll. In Nordrhein-Westfalen hingegen soll das Tragen einer Maske auch im Unterricht verpflichtend sein.

Zweite Welle

Veranlasst durch die stetig steigenden Bedenken hinsichtlich einer zweiten Infektionswelle warnte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder vor Leichtsinnigkeit im Umgang mit der Pandemie. Zugleich sprach er sich gegen weitere Lockerungen aus.

Erstes Großkonzert seit Mitte März soll im September stattfinden

Ein Konzert mit Bryan Adams, Sarah Connor und The Boss Hoss soll am 04.09.2020 vor 13.000 Zuschauern in Düsseldorf stattfinden. Das Konzert werde in Abstimmung mit den örtlichen Behörden geplant, es seien Hygienekonzepte erarbeitet worden. Trotzdem kritisiert die nordrhein-westfälische Landesregierung das Vorhaben.

Existenzgeld für Kunstschaffende

Kunstschaffende Personen leiden besonders unter den Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie. Damit gehen Absagen aller Veranstaltungen einher, weswegen sich Künstlerinnen und Künstler in einer existenzbedrohenden Lage sehen. Aus diesem Grund demonstrierten am Sonntag, den 09.08.2020, mehrere Personen für ein monatliches Existenzgeld, welches ihnen die Deckung ihrer Unterhaltskosten ermöglichen soll.

Einreise von Partnern ohne Trauschein

Zur Eindämmung der Pandemie hatten die EU-Staaten ein weitreichendes Einreiseverbot für Bürger der meisten Nicht-EU-Länder verhängt. Zwar sind kurzfristige Besuche bei Ehepartnern, eingetragenen Lebenspartnern oder nahen Angehörigen erlaubt, Unverheiratete konnten jedoch ihre Partner in Deutschland bislang nicht besuchen. Am Donnerstag, den 06.08.2020, erklärte ein Sprecher der EU-Kommission, dass die EU-Regelung Ausnahmen auch für unverheiratete Paare erlaube. Nachdem binationale Paare über mehrere Wochen hinweg eine Lösung angemahnt hatten, erlaubt das Bundesinnenministerium nun auch unverheirateten Beziehungspartnern die Einreise nach Deutschland ab dem 10.08.2020.

Oberverwaltungsgericht Saarland kippt Prostitutionsverbot

Das Oberverwaltungsgericht Saarland gab dem Eilantrag einer Bordellbetreiberin gegen das Verbot von Sexarbeit mit Beschluss vom 06.08.2020 statt. Durch das Verbot werde die Erbringung von sexuellen Dienstleistungen in „unkontrollierbare“ Bereiche verlagert, wodurch erhebliche Infektionsrisiken entstünden. Im Hinblick auf die Lockerungen für andere Erbringer von körperlichen Dienstleistungen wie Friseursalons und Nagel-, Kosmetik- oder Tattoostudios sei das Verbot nicht mehr zu rechtfertigen. In Berlin wurde die Regelung bereits gelockert, jedoch ist Geschlechtsverkehr weiterhin untersagt. Die deutsche Aidshilfe fordert seit Längerem eine Aufhebung des faktischen Verbots der Erbringung sexueller Dienstleistungen.