Im Zuge der Corona-Krise wird eine Stimmung verbreitet, die fundamentale Einschränkungen der freiheitlichen Grundrechte möglich machen soll. So wird die Zentralisierung der polizeilichen Durchgriffsrechte vorangetrieben, die Digitalisierung aller Bereiche, die bis zu kompletten Registrierung aller Bewegungen der Bürger reichen soll, soll jetzt mit Macht umgesetzt werden. In diesen Bereich fällt auch die Ersetzung des Bargeldes durch das digitale Kartenzahlungssystem, das ja schon länger betrieben wird. Dies wird jetzt mit einem Gesundheitsrisiko begründet, für das es zwar keine wissenschaftlich haltbare Evidenz gibt, aber in der geschürten allgemeinen Hysterie werden kritische Nachfragen verdrängt.
Es gibt ja nicht nur die Aufforderung an die Kunden, aus Hygienegründen nur noch mit einer Karte zu bezahlen, sondern es wurde mir berichtet, daß der Baumarkt Obi in Velbert gar kein Bargeld mehr annimmt. Hier tritt nun die neue Qualität ein, daß eine private Firma die Annahme des gesetzlichen Zahlungsmittels verweigert. Aber dies könnte nur der Vorgeschmack sein für die Aufhebung des Bargeldes durch den Gesetzgeber.
Gerade deshalb scheint es dringend und wichtig, sich noch einmal mit philosophischer Reflexion der Bedeutung des Bargeldes für ein freies Leben zu versichern. Dies soll in den folgenden Zeilen in einer ersten Annäherung geschehen.
Geld ist eine gesellschaftliche Institution der Freiheit
In der Geschichte der Philosophie gibt es eine Tradition, das Geld als eine gesellschaftliche Institution aufzufassen, die sich aus Tauschverhältnissen von materiellen Gütern etabliert und den freien und gerechten Umgang der Menschen mit einander erleichtert bzw. möglich macht. Der Grund des Geldes ist nicht eine zufällige Erfindung, die glücklicherweise gemacht wurde, sondern diese Entdeckung erfolgt notwendig aus dem ursprünglichen Bedürfnis, den menschlichen Umgang miteinander und seine Potentiale – auch über den Austausch von nützlichen Dingen – zu pflegen und auszuweiten. Dieses Bedürfnis entspringt aus der praktischen Freiheit. Insofern ist Adam Smith zuzustimmen, daß die Tauschneigung dem Menschen ursprünglich angehört. Es ist die Freiheit des Menschen, die sich auch darin ausdrückt, daß er seine gesellschaftlichen Verhältnisse selber erzeugen muß und nicht nur instinktmäßig in diese eingebettet ist. So ist auch das Geld in seiner Vermittlungsfunktion des sachlichen und persönlichen Austausches Moment und Ausdruck eines Lebensvollzuges in Freiheit. Es ist so zunächst negative Freiheit, indem es ein Moment der Negation bestimmter Festlegungen aus äußerlichen Bestimmungen ist. Das Geld ermöglicht einen weiteren Horizont der Realisierung der materiellen Bedürfnisse als es der unmittelbare Tausch von Gegenständen des unmittelbaren Bedürfnisses haben kann. Geld eröffnet ein weites Reich an Möglichkeiten. In der Geschichte der Wissenschaft des Wirtschaftens werden die Potentiale, die im Begriff des Geldes schlummern, immer deutlicher hervortreten. Die Negativität des Geldes ist dabei immer auch begleitet von seiner Positivität als eines Momentes der Selbstvergewisserung des vernünftigen Subjekts, die Dostojewski mit „geprägte Freiheit“ in einem Totenhaus ausdrückt („Aufzeichnungen aus einem Totenhaus“). Geld muß diese seine positive Seite, die eben nicht gleichgültig gegenüber der Gemeinschaftlichkeit der Subjekte ist, aus sich herausarbeiten und zum Bewußtsein bringen.
Diese Positivität der Freiheit zeigt sich in der Konstitution einer Sphäre von wechselseitig anerkannter Freiheit, die im Recht ihre Realisierung findet. Das Moment der positiven Freiheit zeigt sich hier im Übertritt aus der Reich der Möglichkeit in den wirklichen Erwerb von Gegenständen, der rechtlich abgesichert und auf Dauer gestellt ist. Diese positive Seite ist so aber nicht nur der einzel-subjektive Standpunkt, mit Geld alle möglichen materiellen Bedürfnisse auch real befriedigen zu können. Denn diese Realisierung einer Fülle von Möglichkeiten verlangt ja eine Institutionalisierung von Tauschverhältnissen, die auf gesellschaftlicher Arbeitsteilung und entfalteter Produktivität basiert. Wenn die menschliche Freiheit auf Realisierung drängt, dann ist so auch auf dem Gebiet des Wirtschaftens damit zu rechnen, daß sich hier ebenfalls über-individuelle objektive Verhältnisse institutionalisieren, um überhaupt individuelle Freiheit auf Dauer stellen zu können. Diese Institutionalisierung ist die Konstitution eines gesellschaftlichen Bandes, das eine eigene Rechtfertigung und Geltung neben dem Band der rechtlichen Absicherung darstellt, das über den Austausch materieller Güter vermittelt ist und das im Geld seine Realisation findet. Wie kann man sich dieses Moment individueller Freiheit als einer allgemein vermittelten in seiner Realisierung vorstellen?
Die individuelle Verfügbarkeit über Geld
Dies kann nur vorgestellt werden als dialektischer Prozeß zwischen der Realisierung individueller und über-individueller, objektiver Freiheit. In der objektiven Verbundenheit muß die individuelle Willkür als unaufhebbares Moment enthalten sein, und ebenso muß die individuelle Willkür ein Moment des Strebens nach Realisierung von Allgemeinheit, also einer allgemein-verbindlichen Rechtssphäre enthalten. Die Willkür zeigt dieses Enthaltensein aber nur durch die fortwährende Realisierung ihrer immanenten Wirksamkeit. In der objektiven Funktion der Verbindung, die das Geld durch die Gesellschaft webt, zeigt sich diese Wirksamkeit in der jederzeitigen individuellen Verfügbarkeit über das Geld bzw. eine bestimme Summe Geldes.
Die freie individuelle Willkür realisiert ein Moment ihrer sachlich orientierten Freiheit als freie Verfügung über wirkliches Geld als materiellem Träger des Tauschwertes, der Möglichkeit im Prinzip alle käuflichen Dinge in seine Verfügungsgewalt zu bringen. Das Geld zeigt dieses Moment der Verfügungsmacht des Individuums an diesem gesellschaftlichen Band am besten in der Münze oder dem Schein, der auch tatsächlich individuell besessen werden kann. Diese Münze und diesen Schein gibt es nur einmal; es gibt zwar eine Vielzahl von gleichen Einheiten, aber von dem je bestimmten einzelnen Exemplar des Zeichens kann ich die Verfügung durch andere tatsächlich ausschließen, wenn ich das Geld von der Bank, vom Konto in mein Portemonnaie stecke. Das ist dann wirklich mein Geld, das nur ich besitze und das eine anschauliche, auch haptisch erfahrbare Existenz zeigt. Geld auf dem Konto ist eigentlich nur virtuelles Geld und gerade kein bares Geld. Inwieweit das Giralgeld das „wirkliche“ Geld ersetzen kann oder auch sinnvollerweise ersetzen soll, wollen wir nun noch etwas genauer betrachten.
Bares Geld, das auch als die Geldmenge M⁰ bezeichnet wird,1Die Geldtheorie als Teil der ökonomischen Wissenschaft unterteilt das Geld in verschiedenen Hinsichten. Wenn wir als Beispiel die Definition der Europäischen Zentralbank nehmen: M⁰: Banknoten und Münzen, die sich im Umlauf außerhalb des Bankensystems (bei Nicht-Banken) befinden (also ohne Kassenbestände der Geschäftsbanken, aber mit Banknotenumlauf im Ausland) plus dem Zentralbankgeldbestand der Kreditinstitute; M¹: Bargeldumlauf plus Sichteinlagen der Nichtbanken; M²: M¹plus Einlagen mit vereinbarter Laufzeit bis zu zwei Jahren und Einlagen mit gesetzlicher Kündigungsfrist bis zu drei Monaten; M³: M² plus weitere Geldderivate, auf die hier aber nicht eingegangen werden muß. ist materialisierte gesellschaftliche Anerkennung, die ich in meine unmittelbare Verfügung bringen kann. Durch das nicht-bare Geld (also M¹bis M³ treten zwischen die Menschen, die unmittelbar miteinander umgehen wollen, noch weitere Instanzen, die Banken, die mit immer weiteren Verschachtelungen den Ausgleich von Forderungen und Zahlungen durch Geld-Derivate auseinanderziehen. Was hier tatsächlich an Sprengstoff für den gesellschaftlichen Lebensvollzug liegt, wissen wir inzwischen. Auf jeden Fall: durch diese Vermittlungsschritte wird der unmittelbare Umgang der Menschen miteinander immer abstrakter und damit zugleich auch prekärer.
Hier wird eine Entwicklung fortgeschrieben, die im Giralgeld, also in der Gewährung von Krediten durch geldverleihende Institutionen, schon angelegt und entwickelt ist. Die Banken schöpfen schon immer, auch gedeckt durch die Geldeinlagen ihrer Kunden, neues Geld auch unabhängig von dem baren Geld, das durch die Zentralbank ausgegeben und von den Kunden eingezahlt wird.
Es erhebt sich also gerade hier die Frage, ob diese Vermittlungstätigkeit des baren Geldes, nämlich zwei Akteure durch die Geldübergabe wirklich zusammenzubringen, noch weiter, nun aber vollständig aufgegeben werden soll. Denn die Verwendung von barem Geld verursacht wirtschaftliche Kosten (Herstellung, Transport und vieles mehr), die durch virtuelles, digitales Geld vermieden werden könnten. Damit wird aber auch der persönliche Umgang der Menschen miteinander auch auf dem Felde von Kaufen und Verkaufen weiter eingeschränkt bzw. überflüssig gemacht. Auf den neuen digitalisierten Märkten begegnet sich niemand mehr. Aber auch in den noch realen Märkten wird es bald keine Kassiererinnen mehr geben, denen wir das Geld aushändigen. (Damit soll übrigens nicht behauptet werden, daß der Umgang mit virtuellem Geld nicht auch sinnvoll in bestimmter Hinsicht sein kann. Uns geht es hier nur um die Frage, ob das Bargeld vollständig aufgehoben werden soll.) Die Digitalisierung des Geldes schreitet fort mit der Virtualisierung des Warenaustausches. Menschen begegnen einander dabei nicht mehr. Die Isolierung der Menschen gegeneinander, die sich ja in vielen Bereichen des täglichen Lebens zeigt, wird voran getrieben; mit Marx könnte man sagen, die Entfremdung des Menschen von seinem gesellschaftlichen Wesen nimmt weiter zu.
Es erhebt sich also gerade hier die Frage, ob diese Vermittlungstätigkeit des baren Geldes, nämlich zwei Akteure durch die Geldübergabe wirklich zusammenzubringen, noch weiter, nun aber vollständig aufgegeben werden soll. Denn die Verwendung von barem Geld verursacht wirtschaftliche Kosten (Herstellung, Transport und vieles mehr), die durch virtuelles, digitales Geld vermieden werden könnten. Damit wird aber auch der persönliche Umgang der Menschen miteinander auch auf dem Felde von Kaufen und Verkaufen weiter eingeschränkt bzw. überflüssig gemacht. Auf den neuen digitalisierten Märkten begegnet sich niemand mehr. Aber auch in den noch realen Märkten wird es bald keine Kassiererinnen mehr geben, denen wir das Geld aushändigen. (Damit soll übrigens nicht behauptet werden, daß der Umgang mit virtuellem Geld nicht auch sinnvoll in bestimmter Hinsicht sein kann. Uns geht es hier nur um die Frage, ob das Bargeld vollständig aufgehoben werden soll.) Die Digitalisierung des Geldes schreitet fort mit der Virtualisierung des Warenaustausches. Menschen begegnen einander dabei nicht mehr. Die Isolierung der Menschen gegeneinander, die sich ja in vielen Bereichen des täglichen Lebens zeigt, wird voran getrieben; mit Marx könnte man sagen, die Entfremdung des Menschen von seinem gesellschaftlichen Wesen nimmt weiter zu.
Wichtig ist weiter der Aspekt, daß das Bargeld vom Staat (bzw. der Zentralbank) ausgegeben wird. Es ist wirklich öffentliches Geld, gedeckt durch das gemeine Wesen, den Staat. Das virtuelle Konto-Geld ist aber privates Geld, es ist Geschöpf der privaten Banken. Die sog. Bit-Coins sind auch nur eine Spielart dieses nicht-öffentlichen „Geldes“. Daß private Banken die gesamte Geldsphäre immer mehr alleine bestimmen und öffentliche Institutionen immer weniger Einfluß auf das Geldgeschehen haben, ist das Wachsen weniger Freiheitspotentiale gegen das Schrumpfen der Freiheitspotentiale der Vielen, auch wenn diesen der Prozeß als Ausweitung gerade von deren Freiheit angepriesen wird. Es ist ein weiterer Punkt zu beachten.
Das Geld ist zugleich ein öffentliches Gut
Die Gültigkeit des individuellen Gebrauchs des Geldes wird durch den Staat garantiert, und wie der Staat mit der Landeswährung umgeht, unterliegt der politischen Kontrolle. Sonst darf aber jeder einzelne mit seinem Geld tun, was er will, ausgeben, horten, verbrennen. Können und wollen die privaten Verwalter des virtuellen Geldes diese Freiheit auch garantieren?
Virtuelles Geld kann dabei nicht den Übergang in die Individualität der Verfügbarkeit garantieren, weil dieses Geld nicht in die individuelle Verfügbarkeit gelangen kann, die den Zugriff durch Dritte ausschließt oder zumindest sehr schwierig macht. Der Zugang zu diesem Geld ist immer durch fremde Dienste vermittelt und schränkt dadurch die Verfügungsmacht der einzelnen ein. Wer vor einem Geldautomaten einer Bank gestanden hat und kein Bargeld abheben konnte, weil das Computernetz der Bank zusammengebrochen war, macht hier die Erfahrung einer noch harmlosen Variante. Die Insolvenz einer Bank zeigt dieses Problem schon deutlicher. Kann das virtuelle Geld, wenn auch noch die Möglichkeit, es jederzeit in bares Geld zu wechseln, aufgehoben ist, überhaupt seine Funktion noch erfüllen, nämlich den reibungslosen Zahlungsverkehr zu garantieren? Ist das Vertrauen in die Stabilität des Geldes nicht vielmehr viel leichter zu erschüttern, wenn ich es gerade nicht mehr horten kann? Nur wenn die Individuen sich sicher im Besitz ihres Geldes glauben, kann der über-individuelle gesellschaftliche Fluß aufrechterhalten werden.
Man kann verstehen, daß virtuelles Geld die Transaktionen beschleunigen und deren Kosten verringern kann. Zu diesen Kosten gehört natürlich auch, daß das Bargeld für die Geschäftstätigkeit zu knapp wird. Mit dem Drucken von Geld will man ja Abhilfe schaffen, um die Geschäfte weiter ausbauen zu können. Obwohl auch hier die Frage zu stellen wäre, ob es wirklich in einem vernünftigen Interesse begründet ist, unsere Lebensprozesse immer weiter zu beschleunigen und zeitlich zu verdichten, ist ein anderer Aspekt viel bedenklicher:
Das virtuelle Geld wird ja gerade eingeführt, um die Kontrolle über die individuelle Verfügbarkeit – was auch die Möglichkeit kriminellen Handelns beinhalten mag – zu garantieren (die Geldwäscherei der Mafia als Argument). Es geht aber auch um die möglichst vollständige Kontrolle der Tauschaktionen. Wenn nur noch virtuell bezahlt werden kann, werden alle Transaktionen kontrollierbar. Der homo oeconomicus ist ja seit langem ein Modell für die Wirtschaftswissenschaft, dessen Nutzenkalkül nur wirklich funktionieren kann, wenn er möglichst alle Momente des Marktprozesses genau kennt. Marktintransparenz ist so zu bekämpfen und die vollständige Digitalisierung des Geldes scheint hier ein großer Schritt vorwärts zu sein. Das ist nur eine weitere Realisierung der Vorstellung, das Wirtschaftsgeschehen insgesamt vorhersehbar und beherrschbar machen zu können. Nicht nur der Entzug des Geldes vor „gesellschaftlich nützlichem“ Gebrauch soll verhindert werden (Schwarzgeld, Hortung). Dieses virtuelle Geld kann man nicht mehr dem ungehinderten und schnellen Zugriff seiner Erzeuger und Organisatoren sowie des Staates entziehen. Man kann alles besteuern, entwerten etc. per Knopfdruck; die Ausweich- und Vermeidungsstrategien der Individuen sind sehr erschwert, wenn nicht gar ganz unmöglich geworden. Das unverfügbare Moment freier Willkür wird gegen den privaten und staatlich organisierten Zugriff aufgehoben. Kann man sich nicht aber auch noch anderen Zugriff vorstellen, der auch nicht einmal mehr den Anschein eines Beitrages zum Gemeinwohl hat?
Der Depotismus der Digitalisierung
Es mag natürlich zunächst „positive“ Auswirkungen auf den gesellschaftlich gewünschten reibungslosen Ablauf des Wirtschaftsprozesses haben, aber das Moment der qualifizierten Freiheit geht gegenüber der Funktionalität des Marktgeschehens dabei vollständig über Bord. Individuelle Freiheit findet gerade keinen Resonanzraum mehr außerhalb des „gesellschaftlich Gewünschten“. Die Erleichterung, die mit der Digitalisierung aller Lebensbereiche versprochen wird, schlägt um in absolute Despotie gegenüber denen, die diese „Vorteile“ gar nicht genießen wollen. Der Mensch hat gar keine Wahl mehr. Er muß sich immer mehr dem System und seinen Notwendigkeiten anpassen, ja er wird immer mehr unterhalb der Bewußtseinsschwelle angepaßt, weil er gar nicht mehr weiß, wie die Prozesse, die scheinbar nur die Maschinen miteinander ausführen, überhaupt ablaufen, und für welche Zwecke sie außer der Optimierung von Prozessen sonst noch eingesetzt werden, und welche Informationen über den individuellen Menschen selber alles dabei abfallen.
Wer dies für seine Freiheit als bedrohlich ansieht, kann sich nur noch verweigern. Er muß also aus einem System aussteigen, das aber natürlich trotz allem auch für einen Raum der Entfaltung der menschlichen Vermögen sorgt. Diese Entfaltung der menschlichen Vermögen findet nun allerdings in einer Weise statt, die Kant als die der schrecklichen Freiheit, der tollen Freiheit, also einer ungeregelten, lebensbedrohenden Freiheit bezeichnet.
Gegen die absolute Orientierung an einem rein funktionalen Marktprozeß, gilt es vielmehr die Rationalität des Tausches und des Marktes für das Wirtschaften produktiv im Sinne qualifizierter Freiheit zu machen. Dazu ist die Einschränkung der Freiheit durch Freiheit notwendig, wie Kant deutlich macht. Nicht alles, was unter äußerlich funktionalen Gesichtspunkten vorteilhaft erscheint, nicht alles, was technisch möglich ist, soll oder darf unter anderen Gesichtspunkten auch wirklich realisiert werden, wenn es der Idee qualifizierter Freiheit widerspricht oder doch ein hohes Risiko für diese zeigt. Qualifizierte Freiheit beinhaltet immer auch das Moment der Unverfügbarkeit, der Nicht-Berechenbarkeit, die Würde des Menschen. Die qualifizierte, die konkrete Freiheit erst macht die individuelle Willkürfreiheit, die ja auch gerne und mit Recht ihren eigenen Nutzen kalkuliert, allgemein und sittlich lebensgerecht.
Das Geld als ein sachliches Mittel muß in seiner Vermittlungsstellung zwischen dem subjektiv-individuellen Standpunkt und dem objektiv-sachlichen Standpunkt der abstrakten Marktverhältnisse erhalten bleiben, damit der Mensch bei allem möglichen Fortschritt bei der Einsicht in die ökonomischen Gesetze, doch auch noch seinen freien Gestaltungsspielraum für seine Lebensführung behält. Es darf die individuelle Seite der unmittelbaren Unverfügbarkeit des Subjekts nicht aufgeben, das Geld muß auch ausschließendes Eigentum des Individuums werden und bleiben können, denn nur dadurch erfüllt es auch seine gesellschaftsstiftende Aufgabe als Band freier Menschen.
Die Virtualisierung, Digitalisierung, das heißt, das Abstrakt-Werden aller menschlichen Verhältnisse ist aber genau diese Bewegung der Einschränkung der Freiheit von Wesen, deren Kern in einer unverfügbaren Würde besteht, durch äußere Mittel, durch Technik und soll dies ja gerade auch sein. Die äußerlich nicht vollständig kontrollierte Ausübung von Freiheit in der Warenwelt soll aus Effizienzgründen abgeschafft werden. DAS KANN DAS FREIHEITSWESEN ABER GAR NICHT WOLLEN; WENN ES FREI BLEIBEN WILL. Vertrauen in ein Geld, von dessen Verfügung ich andere nicht ausschließen kann, steht auf tönernen Füßen, denn es kann nie mein Geld sein. Daß das Geld mein sein kann, verbindet ja gerade mich mit der Allgemeinheit des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Prozesses. Anders gesagt, das Geld ist nur allgemein etwas „wert“, indem es individueller Besitz werden kann. Dadurch ist es al mein Geld allgemein anerkannt.
Das Metallgeld, dem ein objektiver Wert zugesprochen und dem so eine Wertaufbewahrungsfunktion zugetraut wurde,2Dagobert Duck versichert sich seines Reichtums durch das morgendliche Bad in seinen Goldtalern; aber auch das aus der Mode gekommene Sparschwein reflektiert dieses Moment. genoß dieses Vertrauen und wurde deshalb auch versteckt, weil es in dieser Funktion unabhängig von individuell willkürlichen äußerlichen Eingriffen war. Diese Funktion können Banknoten und virtuelles Geld in der Form nicht mehr erfüllen. Noch einmal stellt sich die Frage: Ist diese Funktion des Geldes denn für unsere Freiheit so wichtig? Reicht es denn nicht, wenn man das Geld rein als Recheneinheit für den Zahlungsverkehr nimmt?
Tatsächlich ist das Geld wie das Eigentum überhaupt ein unverzichtbares Moment unserer realisierten Freiheit. Wenn ich über keine Raumsphäre verfüge, von deren Nutzung ich andere auch wirksam ausschließen kann, dann bleibt mein individuelles Freiheitsbewußtsein ohne Realität, es zeigt sich geradezu als nichtig. Das Geld als „geprägte Freiheit“ ist aber ebenso das Medium der Raumsphäre, das allen „gehört“ und gerade nicht in der Verfügungsgewalt einzelner steht. Das Geld hat insofern auch etwas überindividuell Persönliches an sich (darauf hat Adam Müller3Dieser Denker lehnte wie für den Boden auch für das Geld ein Privateigentum ab und plädierte für ein Gebrauchsrecht. aufmerksam gemacht), und es darf nicht zugelassen werden, diese Persönlichkeit anzutasten, weil sie Darstellung des freien menschlichen Lebens ist. Diese Auffassung des Persönlichen wird gerade dadurch getragen, daß das Geld notwendiges Moment des entfalteten gesellschaftlichen Lebensprozesses ist und eben nicht nur in dem Moment der Recheneinheit aufgehen kann.
Geld als geprägte Freiheit und Lebenselexier des Wirtschaftens
Wie in Rechtsverhältnissen die Unantastbarkeit der Person, die leibliche Existenz und Unversehrtheit vor äußerer Gewalt geschützt werden soll, wie das Recht auch das Eigentum als Darstellung von Freiheit im Raume garantiert, so ist auch das Geld als flüssige Form des Eigentums als zu schützende Persönlichkeit anzusehen. Der Angriff auf das Bargeld steht hier auch in einer Reihe mit dem Angriff auf die Unverfügbarkeit des Leibes und seiner Organe. Auch in dieser Sphäre soll der äußere Zugriff, natürlich zum gesellschaftlichen Wohle, störungsfrei möglich werden.
Geld wird ja gerne mit dem Blut des Organismus verglichen. Es verbindet die Glieder, es transportiert Schädliches ab und führt Lebensnotwendiges zu. Das Blut in seiner Menge ist von diesem Lebensvollzug abhängig und zuviel oder zuwenig davon ist lebensbedrohend. Der Wirtschaftskreislauf wurde analog nicht von ungefähr her von einem Arzt (Quesnay) deutlich gemacht. Vielleicht hilft die Analogie zu verstehen, daß das Geld zwar ein notwendiges Moment des Wirtschaftslebens ist, daß es aber nicht die Stellschraube sein kann, um das Wirtschaften auf stabile Füße zu stellen oder den gewünschten Wachstumspfad auf Dauer zu garantieren. In dieser Vorstellung dominiert eine mechanistische Auffassung des Wirtschaftens, die Möglichkeit einer äußerlichen, künstlichen Einflußnahme durch die Isolierung einzelner Momente. Die Forcierung natürlicher Lebensvollzüge zum Zwecke äußerlicher Vorgaben, mißversteht das Leben der Natur und damit auch das Leben des Menschen, das Leben der Gesellschaften, die sich immer schon staatlich organisieren und auch den Teilaspekt dieses Lebens, den wir mit dem Wirtschaften bezeichnen. Unsere Auffassung vom Wirtschaften, das auch unsere Vorstellung der Funktion bzw. des Momentes des Geldes in diesen wirtschaftlichen Lebensvollzügen regiert, begreift das Geld nicht aus dem Lebensvollzug als Ganzes heraus, das so auch immer sein bestimmtes Maß haben muß, sondern als Instrument (Geldpolitik), um isolierte, z. T auch externe, Ziele erreichen zu können.
Wir hatten schon gesagt, daß die Bewertung der Gegenstände eine Dialektik von Individualität und gesellschaftlicher Anerkennung ausdrücken soll. Aber diese allgemeine Anerkennung soll sich auch als dauerhaft bewähren. Nicht nur für das Hier und Jetzt soll die Einigung gelten, sondern sie soll weiter tragen. Sie soll sich fortsetzen als Bestand. Das ursprünglich Flüssige, das die menschliche Freiheit ist als ein Moment des Sich-Bestand-Gebens, muß selbst die Flüssigkeit gerinnen lassen. Geld soll als „liquides“ Mittel selbst stabil sein. Nur in dieser Dialektik kann es seine Funktion zur Realisierung menschlicher Freiheit überhaupt erfüllen. Das Geld muß in seiner Funktion immer schon wirklich widersprüchlich sein. Die Flüssigkeit der gesellschaftlichen Verhältnisse, die auf der wirklichen Freiheit beruhen und die das Geld vermitteln soll, zeigen auch das Geld als ein Flüssiges, eben Liquidität. Damit es seine Funktionen erfüllen kann, darf es aber gerade nicht nur flüssig sein, was ja mit der Digitalisierung angestrebt wird; es muß gerade auch so aufgefaßt werden, daß es festen Bestand hat, also seinen „Wert“ behält, wie man so sagt. In entfalteten Tauschverhältnissen, wo die in Geld getauschten Gegenstände ja gerade nicht unmittelbar wieder in andere Gegenstände getauscht und so auch nicht unmittelbar sofort wieder konsumiert, verbraucht werden sollen, tritt das Moment der Wertaufbewahrung hervor. Diese Funktion des Geldes ist sinnliche Darstellung der Stabilität der Gesellschaft. Das wertbeständige Geld veranschaulicht die Stabilität des gesellschaftlichen Bandes, das den jederzeitigen freien Verkehr ermöglicht. Aus diesem Gesichtspunkt heraus ist die Geldwertstabilität nicht nur eine ökonomische Frage, sondern greift tief in das Selbstverständnis der Gemeinschaft ein. Auch hier zeigt sich die wirkliche Freiheit in einer Dialektik, die in der Sphäre des Rechts als Dialektik von Freiheit und Sicherheit auftritt und in unserer materiellen Sphäre der Bedürfnisse als Dialektik von Freiheit und Bestand bzw. Dauerhaftigkeit, die der individuellen, aber auch der gemeinschaftlichen Freiheit entzogen sein sollen. Wir können in dieser Dialektik den Grund für die wissenschaftlichen Auseinandersetzungen in bezug auf die Geldwertstabilität erkennen, wo die einen das Moment des Wertbestandes propagieren, die anderen das Geld als ein verschwindendes Moment, eben als bloßes Tauschmittel verstanden wissen wollen. Beide Positionen haben Recht, und beide haben in ihrer jeweiligen Einseitigkeit unrecht. Der philosophische Begriff des Geldes kann hier der ökonomischen Wissenschaft helfen, ihren Streit zu einer mehr fruchtbaren Auseinandersetzung zu machen, die den wirklichen Widerspruch erkennt und mit ihm angemessen umgeht. Wir können verstehen, daß die beiden Funktionen Wertaufbewahrungsmittel und Zirkulationsmittel in einen wirklichen Widerspruch führen, denn im Wertaufbewahrungsmittel ist ja gerade der Entzug des Geldes aus der Zirkulation der Güter gedacht. Das Moment der Mobilisierung findet seine Realisierung immer nur an dem entgegenwirkenden Moment der Immobilisierung. Wie im Recht der Primat der Sicherheit die lebendige Freiheit ersticken kann, so in der Sphäre der Ökonomie der Primat der Wertsicherung den Austausch der Güter, durch den die Gesellschaft ihr materielles Leben organisiert. Wer das Risiko der Freiheit in beiden Sphären scheut, wird sie verlieren.
Was hat diese Auffassung aber mit unserem Thema zu tun, der Freiheit, die das Bargeld in einem Teilaspekt realisiert und deren Bedrohung durch dessen vollständigem Ersetzen durch digitales Geld?
Wir können den Zusammenhang verstehen, wenn wir nach dem Zweck der Digitalisierung fragen. Digitalisierung bedeutet immer auch Auslagerung der Verfügung über Eigentum von den einzelnen Individuen weg, auf andere Instanzen. Daten, die meine private Sphäre, wie auch immer verlassen haben, bekomme ich nicht mehr in meine ausschließende Gewalt. Seien es Photos, seien es Kaufentscheidungen, sei es aber auch das Geld. Solange ich mein digitales Geld in Bargeld umwandeln kann, kann ich das Geld in meinen ausschließenden Besitz bringen. Wenn diese Möglichkeit wegfällt, kann ich die über die digitalen Systeme verfügenden privaten Institutionen wechseln, ohne aber jetzt die Verfügung anderer grundsätzlich auszuschließen. In Kombination mit der Unfähigkeit bzw. Unwilligkeit der Staaten, die privaten – meist US-amerikanischen – Konzerne an die Kandare zu nehmen, hochgradig gefährlich für nicht „systemrelevantes“ Eigentum.
Geld als Band der Gesellschaft
Ein Aspekt sei aber noch einmal besonders hervorgehoben. Das Geld ist ein materiales Band der Gesellschaft. Sein Wert liegt nicht in seiner Metallhaltigkeit, sondern in der Stabilität der Gesellschaft selber. Das Geld stellt das überindividuelle Wesen der wirtschaftlichen Verhältnisse selbst dar. Ist damit aber nicht eigentlich denkbar, daß ein Geld, das auch noch den letzten Schein von Materialität, also die Münzen und Geldscheine, abstreift, diesem eigentlichen Wesen, ein gesellschaftliches Leben zu führen, nun einen gehörigen Schritt näher gekommen ist? Kommt das Geld damit nicht zu seinem eigentlichen Begriff? Wieder stehen wir an der Grenze zweier Verstehenshorizonte, wir stehen – so können wir sagen – zwischen gegenstandsorientiertem Verstand und lebens- und freiheitsorientierter Vernunft. Fassen wir das Geld also als Moment des freien Wirtschaftens mechanistisch oder als Leben auf? Die mechanistische Auffassung möchte alle Reibungsverluste, alle Hemmungen der Abläufe möglichst minimieren bzw. beseitigen. Je schneller, je unkomplizierter, je mehr befreit von „unverständigen“ Einreden und Verzögerungen, um so besser für das reibungslose Funktionieren des mechanischen Prozesses. Für diese Vorstellung von Wirtschaften kommt die Wirtschaft 4.0, wie das so schön technisch heißt, auf ihren Begriff. Dies ist aber nicht der angemessene Begriff eines menschlich orientierten Wirtschaftens.
Menschliches Wirtschaften reflektiert lebendige, maßvolle Verhältnisse des gesellschaftlichen und individuellen Lebens. Raum und Zeit sollen darin gerade nicht immer weiter verdichtet werden, sondern die Abläufe werden auf eine lebbare Dauer gestellt, Prozesse müssen reifen, aus sich selber heraus ihre Tragfähigkeit erzeugen und nicht durch künstliche Stützen in Gang gehalten werden. Menschen brauchen angemessene Zeit und Raum, die Natur und ihre Geschöpfe brauchen ebenso ihre Entfaltungssphären. Gesellschaften und Staaten müssen ihr Eigenes erkennen und leben und so zur Entfaltung bringen.
Das Unbehagen über die Abschaffung des Bargeldes bei vielen gründet auf eine vorbewußte Ablehnung der Einschränkung von Freiheit. Philosophisch kann hier ein Ansatz gefunden werden, um grundsätzlich die Leitvorstellung des gesellschaftlichen Lebens, wovon das Wirtschaftsleben ja nur ein Teilaspekt ist, von dem sich immer deutlicher als lebensgefährlich zeigenden verstandesmäßigen mechanistischen Denken zurückzubringen auf ein im Aristotelischen Sinne maßvolles, und damit dem Menschen angemessenes Leben, das im vernünftigen, sittlich orientierten Leben seine Ausrichtung findet. In dieser Orientierung sind nicht nur die Menschen als anerkannte Freiheitswesen als eine konkrete Lebensgemeinschaft aufgefaßt, sondern auch die Gegenstände, die die Natur für uns bereithält, werden in diesen Kontext respektvoll einbezogen. Man nannte dies früher Respekt vor der Schöpfung Gottes. Dieser Respekt ist wieder zu gewinnen, wenn wir ein wirklich menschliches Leben in einer lebendigen Umwelt führen wollen. Indem das Geld seine ihm innewohnende Maßlosigkeit immer weiter realisiert durch unsere maßlosen Leitvorstellungen der Handlungsorientierung, kann auch das Bewußtsein geschärft werden, daß diese Orientierung grundsätzlich einzuhegen wäre. Die Hemmungen im Wirtschaftsprozeß, die durch das Bargeld entstehen, können so als produktiv im Sinne von Entschleunigung zu einem menschlichen Begriff des Wirtschaftens aufgefaßt werden. Der individuelle Störfaktor im durchorganisierten, digitalen Wirtschaftsprozeß ist für einen menschlichen Begriff des Wirtschaftens zu stärken und gerade nicht abzubauen. Im gegenwärtigen weitgehenden Stillstand des wirtschaftlichen Prozesses zeigt sich die Ungeduld, wieder zur alten Beschleunigung zu gelangen. Wird die Chance der Besinnung vertan?
Das Bargeld ist nicht der Garant unserer Freiheit, es ist aber ein wichtiges Moment seiner Realisierung und seine Abschaffung wäre auf jeden Fall ein weiterer Schritt in die Unfreiheit, wie hoffentlich aus dem zuvor Gesagten deutlich geworden ist.
↑1 | Die Geldtheorie als Teil der ökonomischen Wissenschaft unterteilt das Geld in verschiedenen Hinsichten. Wenn wir als Beispiel die Definition der Europäischen Zentralbank nehmen: M⁰: Banknoten und Münzen, die sich im Umlauf außerhalb des Bankensystems (bei Nicht-Banken) befinden (also ohne Kassenbestände der Geschäftsbanken, aber mit Banknotenumlauf im Ausland) plus dem Zentralbankgeldbestand der Kreditinstitute; M¹: Bargeldumlauf plus Sichteinlagen der Nichtbanken; M²: M¹plus Einlagen mit vereinbarter Laufzeit bis zu zwei Jahren und Einlagen mit gesetzlicher Kündigungsfrist bis zu drei Monaten; M³: M² plus weitere Geldderivate, auf die hier aber nicht eingegangen werden muß. |
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↑2 | Dagobert Duck versichert sich seines Reichtums durch das morgendliche Bad in seinen Goldtalern; aber auch das aus der Mode gekommene Sparschwein reflektiert dieses Moment. |
↑3 | Dieser Denker lehnte wie für den Boden auch für das Geld ein Privateigentum ab und plädierte für ein Gebrauchsrecht. |